Deutsche und Tschechen erwecken gemeinsam Baudenkmäler zu neuem Leben
(Prag) Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds fördert insgesamt 159 neue Projekte, die von Partnern aus beiden Ländern gemeinsam vorbereitet wurden. Der Verwaltungsrat hat dafür am Mittwoch auf seiner Sitzung im tschechischen Außenministerium einen Betrag von insgesamt 1,4 Millionen Euro bewilligt.
Die letzte Verwaltungsratssitzung zum Jahresende befasst sich traditionell insbesondere mit Projekten im Bereich Renovierung von Sakralbauten und weiteren Kulturdenkmälern, die mit der Geschichte der deutschen und jüdischen Bevölkerung in den böhmischen Ländern verknüpft sind. Der Zukunftsfonds fördert in diesem Bereich 32 Projekte mit einem Gesamtbetrag von über 450 000 Euro. Das Geld kommt der Renovierung von 21 Kirchen, 5 christlichen und 2 jüdischen Friedhöfen, 2 Synagogen und einigen kleineren Denkmälern zugute.
„In unserer Region gibt es zahlreiche Orte, die von der Vergangenheit der deutschen und jüdischen Einwohner zeugen. Kirchen und Synagogen oder auch Friedhöfe und Kapellen bleiben jedem Menschen im Gedächtnis, da auch das eigene Leben oder die eigene Familiengeschichte mit ihnen verbunden ist. Zerreißt dieses Band, verliert man die Heimat wie auch seine Wurzeln. Deshalb ist es wichtig, Denkmäler und damit auch das Andenken unserer Vorfahren zu bewahren, zu renovieren und zu pflegen. Es freut uns, dass die Initiative dafür von den Menschen vor Ort selbst ausgeht und sie es schaffen, auch andere für die Bewahrung dieser Werte zu begeistern“, meinen Rita Hagl-Kehl und Jindřich Fryč, die Verwaltungsratsvorsitzenden des Zukunftsfonds.
Beispiel dafür sind drei Wallfahrtsorte, deren Geschichte und Gegenwart Deutsche und Tschechen, einstige und heutige Einwohner, mit ihrem Glauben, ihrem Willen und ihrer Begeisterung über Grenzen und Jahrhunderte hinweg gemeinsam geprägt haben – und auch heute wieder gemeinsam gestalten. Die Kirchen auf dem Cvilín (Burgberg), in Filipov (Philippsdorf) und in Ruda u Rýmařov (Deutsch Eisenberg) erwachen gerade zu neuer Schönheit, verwandeln sich in Räume spiritueller Ruhe und künstlerischen Erlebens sowie zu einem Begegnungsort und Symbol der Versöhnung von Deutschen und Tschechen.
Viele der bewilligten Projekte beziehen sich auch auf das Thema des Jahres 2025 „Wie sagt man heute never again?“, das wir als Memento zum 80. Jahrestag des Kriegsendes 1945 wie auch als aktuelle Herausforderung begreifen. Parallel dazu läuft derzeit noch unser diesjähriges Jahresthema „Grenzen des Fortschritts?“. Dieses stieß vor allem bei jungen Menschen auf Interesse, die sich mit dem Einfluss Künstlicher Intelligenz und digitaler Technologien auf unser Leben befassen.
Auswahl aktuell bewilligter Projekte aus den Bereichen JUGEND, PUBLIKATIONEN, KULTUR
Freiheit und Freundschaft sind für uns ein kostbares Geschenk – nie wieder Krieg!
Die Geschichten einzelner Menschen, ihre Schicksale und Taten – durch sie erfahren Schülerinnen und Schüler aus einer Grundschule in Uherský Brod etwas über den Krieg. Beim Recherchieren nach Helden in ihrer Stadt oder Region haben sie festgestellt, dass einige sich am Attentat auf Reinhard Heydrich beteiligten, andere wegen ihrer jüdischen Herkunft oder ihrer Beteiligung am Widerstand in Konzentrationslagern ums Leben kamen. In ähnlicher Weise setzen sich auch Schülerinnen und Schüler aus einer Realschule in Kranichfeld (Thüringen) mit der deutsch-tschechischen Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinander. Im Frühjahr werden sich beide Gruppen in Uherský Brod treffen und gemeinsam die dortige Synagoge und eine Ausstellung über die niedergebrannte Gemeinde Ploština besuchen. Sie werden selbst nach weiteren Informationen recherchieren und Reportagen für das Schulfernsehen drehen, die vielleicht auch vom Kindersender des Tschechischen Fernsehens ausgestrahlt werden.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 5 090 Euro
Gottfried Wurbs (1894–1970): Licht und Schatten
Das Nordböhmische Museum (Severočeské muzeum) Liberec hat einen Förderantrag für die Herausgabe einer zweisprachigen Publikation über den deutschböhmischen Fotografen Gottfried Wurbs (1894-1970) eingereicht. Das Buch soll anhand erhalten gebliebener Aufnahmen und Ansichtskarten über den Künstler erzählen, der mit seinem Objektiv die Landschaft rund um die Stadt Liberec (Reichenberg) eingefangen hat. Gleichzeitig erzählt es von seinem Leben in Frýdlant (Friedland), das bis 1945 vorwiegend von Deutschen bewohnt war. Dabei findet auch der historische Kontext Berücksichtigung – von der Zeit Österreich-Ungarns über die zwei Weltkriege bis hin zur Vertreibung der deutschen Bevölkerung. Das Museum möchte auf diese Weise eine neu erworbene Sammlung historischer Fotografien für die Öffentlichkeit zugänglich machen und einen neuen Impuls für den deutsch-tschechischen Dialog setzen.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 180 000 CZK
Casanova in Dux
Das Prager Ensemble Geisslers Hofcomoedianten und der Dresdner Theaterkahn lassen sich von der Kunst des Barock inspirieren, die sie mit modernem Theater verbinden. Das Thema für eine deutsch-tschechische Vorstellung war daher schnell gefunden: Der spätbarocke Schriftsteller Giacomo Casanova hat in beiden Ländern Spuren hinterlassen und seine letzten Jahre auf Schloss Duchcov (Dux) verbracht. Jedes der beiden Theaterensembles wird zunächst eine separate Inszenierung von Peter Wekwerths Stück einstudieren, die deutsche Version wird in Dresden vorgestellt, die tschechische in Kuks (Kukus). Im September 2025 werden dann beide Vorstellungen zusammen auf Schloss Dux aufgeführt. Und dies ist nicht das letzte Mal – es sind auch Aufführungen bei den Tschechisch-Deutschen Kulturtagen und auf weiteren Festivals geplant.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 300 000 CZK
Jenseits von Prag
Petr Minařík, Herausgeber von tschechischen Übersetzungen deutscher Gegenwartsliteratur bei der Gesellschaft Větrné mlýny, hat ein Projekt eingereicht, das drei Ebenen kombiniert: einen Stipendienaufenthalt für deutsche Schriftstellerinnen und Schriftsteller in verschiedenen tschechischen Regionen, einen Kreativ-Workshop für tschechische Übersetzerinnen und Übersetzer sowie die Herausgabe einer Anthologie mit gemeinsam verfassten Erzählungen. In der Praxis bedeutet dies: Zwölf deutsche Autorinnen oder Autoren leben einen Monat lang in zwölf tschechischen Regionalhauptstädten und arbeiten mit ihren Übersetzern zusammen, die von Anfang an in die Entstehung der Texte involviert sind. Der daraus entstehende Prosaband wird 2026 auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt, bei der die Tschechische Republik Gastland sein wird.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 350 000 CZK
Neue Technologien – guter Diener, aber schlechter Herr
Digitale Technologien und Grundschüler?! Dass das nicht zu früh ist, möchten zwei Grundschulen aus Borová Lada und Neureichenau zeigen. Sie haben mehrere aufeinanderfolgende Treffen von insgesamt 40 Kindern und 10 Lehrkräften vorbereitet, die von März 2025 bis Juni 2026 stattfinden sollen. Die deutschen und tschechischen Kinder werden in gemischten Gruppen eine sinnvolle Nutzung digitaler Apps im Unterricht, bei Sport und Freizeitaktivitäten, in der Natur und in den eigenen vier Wänden ausprobieren. Dabei werden sie das Leben mit und ohne Technologien vergleichen, vor allem aber austesten, wie digitale Technologien ihnen helfen können und wie man die Abhängigkeit von ihnen vermeidet. Das Schulprojekt wurde zum diesjährigen Jahresthema „Grenzen des Fortschritts?“ eingereicht.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 140 000 CZK
Projektauswahl – RENOVIERUNG VON BAUDENKMÄLERN
Renovierung der barocken Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau von den sieben Schmerzen und der Erhöhung des Heiligen Kreuzes auf dem Cvilín (Burgberg)
Die aus dem 18. Jahrhundert stammende Barockkirche auf dem Cvilín (Burgberg) ist das Wahrzeichen der Stadt Krnov (Jägerndorf) wie auch der gesamten Bruntáler Region. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie von einer Fliegerbombe getroffen und teilweise zerstört. Nach Kriegsende diente sie als Sammellager im Zuge der Vertreibung der deutschen Einwohner. Deren Nachfahren vom Heimatkreis Jägerndorf arbeiten gemeinsam mit dem Minoritenorden, an den die Kirche 1994 zurückgegeben wurde, schon seit drei Jahrzehnten an der Rekonstruktion des Bauwerks. Jetzt haben sie einen Zuschuss für die Sanierung beider Turmkuppeln, der Sockel und der Fassade beantragt. Zudem werden Finanzmittel aus EU-Fonds, vom Bistum Ostrava-Opava, von der Region und der Stadt erwartet. Das nationale Kulturdenkmal wird jährlich von mehr als 40 000 Wallfahrern und Touristen besucht.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 600 000 CZK
Renovierung der Basilika in Filipov (Philippsdorf) als Zentrum für eine gemeinsame Zukunft deutscher und tschechischer Bürger, I. Etappe
Die Wallfahrtsbasilika in Filipov (Philippsdorf) ist mit einer Marienerscheinung und der Genesung einer kranken Frau verbunden und wird daher mitunter als mitteleuropäisches Lourdes bezeichnet. Das gemeinsame Projekt zur Renovierung des Daches am linken Kirchturm wird von zwei benachbarten grenzübergreifenden Pfarrgemeinden eingereicht: aus Jiříkov (Georgswalde) und Leutersdorf, wohin die Mehrzahl der örtlichen deutschen Einwohner nach dem Zweiten Weltkrieg zwangsausgesiedelt wurde. In der Kirche finden jeden Sonntag deutsch-tschechische Gottesdienste, gelegentlich Orgelkonzerte oder Benefizveranstaltungen statt. Sie ist ein lebendiger Ort der deutsch-tschechischen Annäherung.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 600 000 CZK
Renovierung des Innenraums der Kirche Unserer Lieben Frau vom Schnee in Ruda u Rýmařov (Deutsch Eisenberg)
Der aus Sandstein gehauene Kreuzweg in Ruda u Rýmařov (Deutsch Eisenberg) ist ein barockes Juwel. Er führt die Wallfahrer von der Kirche auf den Kreutzberg (Křížový vrch), wo sich ein großartiger Ausblick auf das Flusstal der Morava und auf das Altvatergebirge bietet. Die meisten Besucher kommen im August, zur Wallfahrt am katholischen Gedenktag Maria Schnee. Die örtliche Pfarrei beantragt einen Zuschuss für die Renovierung ihres gesamten Innenraums, die gemeinsam mit den früheren deutschen Bewohnern umgesetzt wird.
Förderbeitrag des Zukunftsfonds: 600 000 CZK
Rekonstruktion der Synagoge von Volyně und Errichtung eines Kulturzentrums
Die Synagoge in Volyně wurde Mitte des 19. Jahrhunderts im Stil des Empire erbaut. Damals lebten in der Stadt 27 jüdische Familien. Nach dem Krieg ließen die Behörden die Fenster zumauern und richteten dort ein Kino ein, nach 1989 fanden hier Diskotheken statt. Ziel der geplanten Rekonstruktion ist es, dem Bauwerk wieder seine ursprüngliche Form zu verleihen und im Innenraum eine Ausstellung zur jüdischen Geschichte in Volyně, zu Holocaust und Antisemitismus einzurichten. Es handelt sich um einen Erstantrag des Vereins Synagoge Volyně (Synagoga Volyně), der mit Unterstützung der Stadt und örtlicher Einwohner auf Initiative von MUDr. Karolína Hoňková Radilová gegründet wurde. Sämtliche Informationen und Vorhaben wie auch eine Wohltätigkeitssammlung sind auf der Webseite veröffentlicht.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 600 000 CZK
Rettung des Alten Friedhofs in Kamenický Šenov (Steinschönau) – 10. Etappe
Die Renovierung des Friedhofs in Kamenický Šenov (Steinschönau) geht mit Unterstützung des Fonds in ihre 10. Etappe. Bislang wurden 26 Grabsteine restauriert, der aktuelle Antrag bezieht sich auf die Renovierung einer aus dem 19. Jahrhundert stammenden Friedhofskapelle der bedeutenden Glasherstellerfamilie Zahn. Antragsteller ist der Verein Sonow, der den Friedhof schon seit 20 Jahren pflegt, deutsch-tschechische Arbeitseinsätze für Freiwillige organisiert, Informationstafeln mit QR-Codes aufstellt und in lokalen Medien über seine Aktivitäten informiert. Projektpartner ist der deutsche Verein Freunde und Partner von Kamenický Šenov/Steinschönau aus Rheinbach, der sich auch an Schul- und Kulturaustauschveranstaltungen beteiligt. Der Vereinsvorsitzende Walter Erlenbach hat diese Zusammenarbeit als Good-Practice-Beispiel bei unserem gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung veranstalteten Impulstreffen anlässlich der Feier zum 75-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes in Bonn präsentiert. Das Projekt zur Renovierung des Friedhofs in Kamenický Šenov wurde mit dem Preis des tschechischen Nationalinstituts für Denkmalschutz (Národní památkový ústav) ausgezeichnet.
Förderbetrag des Zukunftsfonds: 120 000 CZK